Die Vizepräsidentin des Landtags von Baden-Württemberg Sabine Kurtz, MdL (CDU), kam am 4. August 2020 zu einem Informationsbesuch in die Stadtbücherei Leinfelden. Sie folgte einer Einladung von Uwe Janssen, dem Vorsitzenden des Fördervereins Stadtbücherei LE und stellvertretenden Vorsitzenden des Bundesverbands der Bibliotheks-Freundeskreise (BdB). Begrüßt wurde die Abgeordnete auch durch Oberbürgermeister Roland Klenk und die Leiterin der Stadtbücherei Leinfelden-Echterdingen Dorothea Veit.
Zunächst ging es bei einer Führung durch die Bücherei um die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Betrieb der Bücherei. Deren Leiter Wolfram Haferkamp erklärte, wie die Nutzung der Bücherei durch die notwendigen Hygiene-Maßnahmen eingeschränkt wird. So dürfen sich derzeit nur 45 Personen gleichzeitig in der Bücherei aufhalten. Dadurch ist es fast unmöglich, sich längere Zeit in Bücher, Zeitungen, Spiele oder andere Medien zu vertiefen, damit die Schlange vor dem Eingang nicht zu lang wird.
So sind auch die beiden Büchereien von Leinfelden-Echterdingen zur Zeit nicht was Bibliotheken heute sein sollen: dritte Orte. Orte, an denen man sich nach der eigenen Wohnung oder dem Arbeitsplatz gern und lange aufhält, um zu lesen, gemeinsam oder alleine zu lernen, mit anderen zu kommunizieren, zu arbeiten und das alles nahezu kostenlos – oder zum Preis eines Bibliotheksausweises von €25 für ein ganzes Jahr.
Die besondere Situation der ehrenamtlich betriebenen Büchereien in Musberg und Stetten erläuterte Susanne Schmucker, ehrenamtliche Leiterin der Bücherei Musberg an der Eichbergschule. Hier ist auf Grund der geringen Raumgrößen die zulässige Zahl der gleichzeitig anwesenden Personen sehr viel geringer (in Musberg z.Zt. 4). Zudem gehören die ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen teilweise zu den Risikogruppen, so dass einige den Dienst schon einstellen mussten.
Eigentlicher Grund der Einladung war die Fortsetzung eines Gesprächs, das vor gut einem Jahr bei einem Fachgespräch der Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU im Stuttgarter Landtag begonnen hatte.
Seither hat sich schon etwas getan. So stellt das Land im laufenden Doppelhaushalt Mittel bereit, um einen Bibliotheksentwicklungsplan zu erarbeiten. Weiteres Geld gibt es für Bibliotheken im ländlichen Raum für Projekte zum lebenslangen Lernen. Ein guter Anfang, wie Uwe Janssen feststellte. Doch reicht das nicht, um die Aufgaben und Leistungen der öffentlichen Bibliotheken in der Landespolitik und der Regierung angemessen zu berücksichtigen und zu unterstützen. Nach Janssens Ansicht muss das Weiterbildungsförderungsgesetz von 1980, das dürre Worte zu Öffentlichen Bibliotheken enthält, entsprechend aktualisiert werden. „Wir brauchen eine zeitgemäße Definition der Aufgaben und der Stellung der Öffentlichen Bibliotheken in der kommunalen Bildungs- und Kulturlandschaft“ sagte er.
Aus schmerzlicher Erfahrung in so mancher Kommune einschließlich der eigenen Stadt wies Janssen darauf hin, dass die schwache rechtliche Stellung und der mangelnde politische Rückhalt der Öffentlichen Bibliotheken immer wieder dazu führe, dass bei ihnen mit dem Sparen angefangen wird, wenn die Kommunalfinanzen mal wieder knapp werden. Es sei nicht auszuschließen, dass die Corona-bedingten Einnahmeausfälle der Kommunen in nächster Zeit wieder Anlass dazu geben.
„Bibliotheken brauchen und haben Freunde: viele Freundeskreise oder Fördervereine, die sie ehrenamtlich unterstützen und helfen gegenüber Politik und Öffentlichkeit, aber auch immer wieder finanziell und mit ehrenamtlichen Engagement für „ihre“ Bücherei,“ sagte Janssen über die Aktivitäten der Freundeskreise und ihres Bundesverbandes BdB. Je kleiner die Kommune, desto wichtiger sei die Arbeit der Freundeskreise, denn oft fehle es in Verwaltung und Kommunalpolitik an Verständnis für die Rolle und den Nutzen einer Bücherei für die Gesellschaft und die Gemeinde.
Janssen appellierte an Sabine Kurtz: „Bitte helfen Sie, etwas für die Öffentlichen Bibliotheken im Land zu tun, vor allem die in der Fläche, im ländlichen Raum, wo es noch viele „weiße Flecken“ gibt, Kommunen ohne Bibliothek, indem Sie sich in der nächsten Legislaturperiode dafür einsetzen, das Weiterbildungsförderungsgesetz zu novellieren oder ein eigenes zeitgemäßes Bibliotheksgesetz auf den Weg zu bringen.“
In ihrer Erwiderung sagte Sabine Kurtz, nach ihrer Ansicht habe eine Gesetzesänderung oder ein eigenes Bibliotheksgesetz nur einen geringen praktischen Nutzen. Sie vertraue eher auf die Kommunen, die am besten wüssten, was auf ihrem Gebiet nötig sei.
OB Roland Klenk wies darauf hin, dass nur höchstens 20 Prozent des kommunalen Haushalts für die Kommunalpolitik verfügbar sei, weil der größte Teil auf Grund fester Verpflichtungen nicht disponibel sei. Klenk betonte zugleich seine Wertschätzung für das ehrenamtliche Engagement des Fördervereins und seiner Mitglieder für die Bücherei der Stadt.
Die Filder-Zeitung berichtet in der Online-Ausgabe der Stuttgarter Zeitung am 6. August.